Die Menschheitsgeschichte ist gekennzeichnet durch bahnbrechende Erfindungen, waghalsige Experimente und unaufhaltsamen Fortschritt, den wir mutigen Frauen und Männern und ihrem unerschrockenen Forschergeist verdanken. Ob es sich dabei um die Verbesserung der medizinischen Versorgung, die Erfindung internationaler Handelsmethoden, die Entdeckung des Ökosystems oder die Entwicklung Künstlicher Intelligenz handelt: dem menschlichen Geist erscheint keine natürliche Grenze zu weit, kein Hindernis zu hoch, keine Unmöglichkeit unerreichbar.
Obwohl zeitgenössische Restriktionen meist den größten Widerstand darstellen – manchmal scheitern große, wagemutige und oft genug auch fahrlässige Visionäre vor allem an einem simplen Hindernis: ihrer Erfindung selbst. In manch tragischen Fällen ist dieses Scheitern sogar ultimativ, sprich: tödlich. In diesem dritten Teil der Wissenshappen-Serie über das unbekannte Ableben bekannter Persönlichkeiten möchten wir uns genau diesen tödlichen Erfindungen widmen, die ihre Schöpfer ins Verderben rissen.
(Hier findest du übrigens Teil I und Teil II dieser etwas morbiden, aber sehr beliebten Wissenshappen-Serie!)
Ohne Fleiß kein Preis – durch Scheitern und Sterben zum menschlichen Fortschritt
Wenn wir an den fatalen Ausgang wagemutiger Experimente denken, kommt uns sicherlich der aktuell prominenteste Fall einer tödlichen Erfindung in den Sinn: die Tauchkapsel „Titan“, die auf ihrem Weg zur weltberühmten „Titanic“ am 18. Juni 2023 ihr tragisches Ende in 3.800 Meter Tiefe fand. Vielleicht war es ein Scheitern mit Ansage, wenn man die verwendeten Materialien aus dem Baumarkt und die fehlende Zertifizierung des Tiefseefahrzeugs berücksichtigt. Diese Bewertung wollen wir heute, in diesem Wissenshappen, jedoch nicht vornehmen.
Stattdessen werfen wir einen Blick auf weitere berühmte Fälle tödlicher Erfindungen der Vergangenheit, um zu erkennen, dass das Scheitern leider einen (notwendigen) Teil des menschlichen Fortschritts darstellt. Denn so traurig und schicksalhaft diese Tragödien auch erscheinen mögen, zeigen sie uns zugleich, dass wir Menschen immer wieder in der Lage sind, aus vergangenen Fehlern zu lernen und letztendlich den einen, entscheidenden Schritt nach vorne zu machen.
Über den Wolken – muss das Sterben so grenzenlos sein
Bevor wir uns in die tödlichen Abgründe der Tiefsee begeben, wollen wir zunächst einen Blick in den Himmel hinauf werfen – ein Sehnsuchtsort, von dessen Eroberung wir seit Menschengedenken träumen. Für uns mag es heutzutage selbstverständlich sein, in einen Linienflieger zu steigen und weit entfernte Urlaubparadiese zu erreichen, doch für unsere Vorfahren war die Durchquerung der Lüfte für lange Zeit ein unerreichbarer Traum. Und um diesen Traum zu erfüllen, mussten viele mutige Erfinder die sichere Bodenhaftung aufgeben und sich mit halsbrecherischen Konstruktionen in gefährliche Höhen schwingen – ohne Garantie auf Erfolg.
Auch der deutsche Ingenieur Otto Lilienthal (1848-1896) träumte davon, die Schwerkraft zu überwinden und vogelgleich das Firmament zu durchqueren. Zwar existierten zu seinen Lebzeiten bereits Heißluftballons und Zeppeline als erfolgreiche Luftfahrtmaschinen, doch diese konnten nur schwer durch den Menschen gesteuert werden oder waren unverhältnismäßig teuer und materielaufwendig. Lilienthal war jedoch vom Flugverhalten der Vögel fasziniert und strebte danach, mechanische Flugmaschinen zu entwerfen, die den wissenschaftlichen Prinzipien des Vogelfluges folgen.
Basierend auf seinen Analysen des Flugverhaltens von Vögeln und seinen Ableitungen für die Luftfahrttechnik, die er in seinem Lebenswerk „Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst“ im Jahr 1889 veröffentlichte, entwickelte er verschiedene Modelle von Gleitflugzeugen, mit denen er sich unerschrocken in die Lüfte schwang. Dank der Dokumentation seiner mehr als 2.000 erfolgreichen Gleitflüge sowie insbesondere seiner Erkenntnisse über den dynamischen Auftrieb legte Lilienthal die Grundsteine der modernen Luftfahrt, auf die unter anderem die Gebrüder Wright die Entwicklung des ersten motorisierten Flugzeugs aufbauen sollten.
Genie und Leichtsinn – wagemutige Visionen und tragische Abstürze
Doch wie die Einleitung dieses Artikels bereits verrät, endete Otto Lilienthals Lebensgeschichte frühzeitig: am 09. August 1896 versetzte ihn ein unerwarteter thermischer Aufwind während eines Gleitflugs derart ins Trudeln, dass er aus 15 Metern Höhe abstürzte. Obwohl er zu Beginn noch ansprechbar und der festen Überzeugung war, nach etwas Ausruhen den Versuch wieder aufnehmen zu können, fiel er kurz darauf in ein Koma und starb letztlich in Folge einer Fraktur des Halswirbels und einer schweren Hirnblutung.
Ungeachtet seiner bahnbrechenden Arbeiten, die den Weg für die moderne Luftfahrt ebneten, war Lilienthal nicht, wie oft behauptet, der „erste Flieger der Menschheit“ (denn frühere Flugpioniere wie George Cayley und Jean Marie Le Bris wagten ebenfalls erste Flugversuche). Und er war bei Weitem nicht der einzige Luftfahrtpionier, der bei seinen experimentellen Höhenflügen sein Leben verlor: Robert Cocking, ein britischer Künstler mit einem Faible für technische Designs, stürzte beispielsweise als erster Fallschirmspringer der Geschichte am 24. Juli 1837 in den Tod, als sein selbst entworfener Fallschirm versagte. Obwohl er fatalerweise das Eigengewicht des Fallschirms in seinen Berechnungen vergessen hatte, führte sein Prototyp zu einer deutlichen Verbesserung des Designs von Fallschirmen.
Und auch im 21. Jahrhundert enden visionäre Luftfahrtideen durchaus noch tödlich: So verunglückte der Gründer des Flugunternehmens AVCEN, Michael Robert Dacre (1956-2009) am 16. August 2009 bei einem Probeflug seines revolutionären Flugtaxis, als er nach drei erfolglosen Startversuchen endlich abhob, dann jedoch aus einer Höhe von 200 Metern mit der Maschine zu Boden stürzte.
Schicksalhaftes Recycling – die Todesfahrten der „H. L. Hunley“
Nicht nur die Weite des Himmelszelts, auch die dunklen Abgründe dieses Planeten üben eine unvergleichliche Faszination auf unseren Entdeckergeist aus: Bereits 4.500 v. Chr. begaben sich Menschen zum Sammeln von Perlen und Korallen auf Freitauchgänge, die Taucherglocke wurde schon in der Antike ersonnen und ab dem 15. Jahrhundert entwarfen visionäre Köpfe wie Leonardo da Vinci erste Designs für mechanische Tauchboote.
Auch Horace Lawson Hunley (1823-1863), ein amerikanischer Jurist, träumte vom Einsatz eines Unterwasserbootes – allerdings nicht für die Eroberung der Tiefsee, sondern zur Verteidigung der Südstaaten im Amerikanischen Bürgerkrieg gegen die zunehmend erfolgreichen Nordstaaten. Und so entwarf Hunley verschiedene U-Boote, die die gegnerischen Schiffe unter Wasser attackieren sollten.
Sein drittes Modell, die 12 Meter lange und nur 1,20 Meter hohe „H. L. Hunley“, entwickelte sich vielversprechend und durchlief im Spätsommer 1863 verschiedene militärische Prüfverfahren. Obwohl die Hälfte der Crew bei einem Tauchgang ihr Leben verlor, nahm Hunley selbst an einer weiteren Probefahrt teil, um die Tauglichkeit seiner Erfindung zu beweisen. Tatsächlich sank das U-Boot am 15. Oktober 1863 planmäßig ab, tauchte jedoch nicht wieder auf. Drei Wochen später wurde das Schiff endlich vom Hafenboden geborgen: im Inneren des zigarrenförmigen Tauchboots fanden sich die Leichen der acht Crewmitglieder. Die Gesichter waren vom Todeskampf geschwärzt und qualvoll verzogen, die Leiber teils verrenkt und ineinander verhakt. Zur Bergung der Leichen mussten die Körper zersägt werden.
Erstaunlicherweise trübte dieser Rückschlag den Optimismus der Südstaatler kaum, stattdessen schickten sie die geborgene „H. L. Hunley“ am 17. Februar 1864 in den Kampf zur See. Dem U-Boot gelang es sogar erfolgreich, die gegnerische „USS Housatonic“ zu versenken. Leider wurden die Crewmitglieder der Hunley aber durch die Druckwelle ihres eigenen Angriffs getötet, und das Schiff sank erneut. Erst im 20. Jahrhundert wurde es wiederentdeckt und im Jahr 2000 letztlich geborgen.
Fluch der Titanen – das tragische Ende der Titan(ic)
Kommen wir nun aber endlich zum Ausgangspunkt dieses Artikels: dem fatalen Tauchgang zur Titanic. Wir alle, egal wie intensiv wir die Nachrichten verfolgen oder nicht, wissen, dass die Erkundungstour der Tauchkapsel „Titan“ durch eine Implosion des Schiffes mit dem Tod aller fünf Insassen auf tragische Weise endete. Auch in diesem Fall wurde eine Erfindung ihrem Schöpfer zum Verhängnis: an Bord befand sich der amerikanische Unternehmer und Ingenieur Stockton Rush (1962-2023), der die Firma OceanGate leitete und die „Titan“ eigenhändig entworfen hatte.
Doch auch die „Titanic“ selbst wurde zum Sargnagel ihres eigenen Erschaffers. Thomas Andrews, der verantwortliche Schiffsarchitekt, begleitete die Jungfernfahrt des berühmten Passagierdampfers und starb bei ihrem Untergang in der Nacht des 15. April 1912. Zu seiner Verteidigung soll gesagt sein, dass er bereits beim Bau des Schiffes Bedenken bezüglich der Beschaffenheit des Rumpfes und der Anzahl verfügbarer Rettungsboote geäußert hatte und nach der fatalen Kollision mit dem Eisberg alles daran setze, so viele Passagiere wie möglich zu retten.
Obwohl im Vorfeld teils deutliche Bedenken bezüglich der Sicherheit beider Schiffe laut wurden, waren sowohl Andrews als auch Rush von ihren Werken überzeugt – so sehr, dass sie ihnen ihr eigenes Leben anvertrauten. Ein solcher Mut sollte, trotz des tragischen Schicksals aller Beteiligten, von uns sicherheitsliebenden Zaungästen durchaus anerkannt werden. Spätestens wenn wir uns das nächste Mal im sicheren Hafen unserer eigenen vier Wände James Camerons dreistündigem Liebesepos rund um Jack und Rose hingeben und dabei den Tod von über 1.500 Menschen voll wohliger Schaulust mitverfolgen.
Kein Anfang ohne Ende – die Poesie des Fatalen
In unserer Komfortzone können wir die Welt nur selten neu entdecken – und so sollten wir dem Forscher- und Erfindergeist unserer Vorfahren und Mitmenschen vor allem mit Ehrfurcht begegnen. Denn wie Hermann Hesse schon passend schrieb:
„Damit das Mögliche entsteht, muss immer wieder das Unmögliche versucht werden.“
Und so soll dieser Wissenshappen als eine Hommage an den menschlichen Wagemut verstanden werden, der in manchen Fällen leider einen tragischen Ausgang nimmt. Doch letztlich gehört zu jeder guten Geschichte auch ein Ende, das es verdient, erzählt zu werden.
Auch wenn alles irgendwann ein Ende findet – diese Wissenshappen-Serie ist noch lange nicht bereit, sich zu verabschieden.
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Nachschlag?
Kringiel, D. (2012, 13. August). Vom eigenen Geistesblitz erschlagen. Abgerufen 04. Juli 2023 von https://www.spiegel.de/geschichte/erfinder-die-durch-ihre-erfindung-starben-toedliche-geistesblitze-a-947675.html
Seewald, B. (2021, 02. November). „Die geschwärzten Gesichter von Verzweiflung und Todesqualen entstellt“. Abgerufen 05. Juli 2023 von https://www.welt.de/geschichte/kopf-des-tages/article234422444/Horace-Hunleys-U-Boot-Gesichter-von-Todesqualen-entstellt.html
Wikipedia (2023). In Wikipedia, die freie Enzyklopädie. Abgerufen 02. Juli 2023 von https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_inventors_killed_by_their_own_invention, https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Lilienthal, https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Cocking, https://en.wikipedia.org/wiki/Horace_Lawson_Hunley, https://en.wikipedia.org/wiki/Thomas_Andrews & https://en.wikipedia.org/wiki/Titan_(submersible)
Warum gibt es diesen Wissenshappen?
Vieles ist bekannt über das Leben großer historischer Persönlichkeiten, ihren Werdegang, ihre Taten und gerne auch ihr Privatleben. Doch viel zu selten wissen wir eigentlich, wie diese Menschen am Ende ihres großen Lebens das Zeitliche segneten. Manche Todesfälle sind kurios oder unnötig, andere wiederum lehrreich oder einzigartig – und viele verdienen ihre eigene Geschichte. Und so schauen wir auf das Ableben bedeutender Köpfe der Menschheitsgeschichte, die uns zeigen, dass der Tod zum menschlichen Fortschritt leider dazu gehört. Nichts verdeutlicht das so eindrucksvoll wie das Schicksal wagemutiger Visionäre, die durch ihre eigenen bahnbrechenden Erfindungen ein frühzeitiges Ende fanden.
Was sollte unbedingt verdaut werden?
Der menschliche Fortschritt ist unaufhaltsam, doch er fordert regelmäßig seine Opfer. Ob bei riskanten Pionierflügen durch die Weiten des Himmelszeltes oder während selbstmörderischer Tauchgänge in die unerforschten Abgründe der Tiefsee – immer wieder werden wagemutige Erfinder zum Opfer ihrer eigenen Kreationen. Die tragische Geschichte der Tauchkapsel “Titan”, die während ihrer Erkundungsfahrt zur berühmten Titanic am 18. Juni 2023 ihren eigenen Schöpfer ins Verderben riss, ist nur ein Beispiel von vielen. So fand unter anderem der deutsche Ingenieur und Wegbereiter der modernen Luftfahrt Otto Lilienthal (1848-1896) sein frühzeitiges Ende, als er bei einem Probeflug mit einem selbst gebauten Gleitflugzeug in den Tod stürzte.
Disclaimer:
Der obenstehende Text wurde auf Grundlage der gelisteten Quellen erstellt, ist aber explizit unter Berücksichtigung der subjektiven Erkenntnisse, Vorlieben und dem persönlichen Verständnis der Autorin aufzufassen. Es handelt sich nicht um eine wissenschaftliche Ausarbeitung mit akademischen Anspruch, sondern um eine Zusammenfassung von Geschehnissen und Erzählungen nach individuellem Stil und Empfinden der Autorin. Ausnahmslos jeder Wissenshappen möchte Freude am Wissen schaffen, aber nicht als Fachliteratur verstanden werden. Über Anmerkungen, Ergänzungen, Lob oder Kritik freut sich die Autorin und lädt jeden Leser dazu ein, über die Kommentarfunktion Kontakt aufzunehmen.