Alle Jahre wieder… kommt und vergeht das Weihnachtsfest und niemand (zumindest nicht ich) versteht so recht, wohin die Feiertage verschwunden sind. Gerade noch steht man mit dampfendem Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt und stellt gedanklich die letzten Geschenke zusammen, und schon sitzt man mit ein paar Kilos mehr auf den Rippen und einem Glas Champagner in der Hand am Silvestertisch und läutet mit einer Runde Fondue oder Raclette das neue Jahr ein – ohne sich zu entsinnen, was man an den Tagen zwischen den Festen eigentlich getrieben hat. Und das ist auch gut so, denn wie sagt man so schön über diese merkwürdige Zwischenzeit, in der alles und zugleich nichts passiert, in dieser herrlichen Woche außerhalb jedes Zeitempfindens?
„Sei die am wenigsten beeindruckende Version deiner selbst. Verwandle dich in eine Couch.“
Obwohl der Großteil der christlich-geprägten Bevölkerung um das Weihnachtsfest herum in einer besinnlichen, einvernehmlichen Phase der Unproduktivität versinkt, existieren dennoch widerspenstige Menschen, die der allgemeinen Arbeitsverweigerung zum Trotz beschließen, auch zum Fest der Geburt Jesu Christi die Welt verändern zu wollen – abgesehen von Jesus selbst, natürlich. Damit meine ich nicht die reichweitenlüsternen Fitness-Influencer dieser Welt, die uns jetzt schon mit hochmotivierten Neujahres-Sportprogrammen den Weihnachtsspeck abtrainieren wollen, sondern ich spreche von historischen Persönlichkeiten, die den Lauf der Geschichte veränderten – auch oder gerade zu Weihnachten.
Zu diesen besonderen Personen zählt sicherlich jener Mann, der die Geschichte Europas vor vielen Jahrhunderten prägen und den Grundstein des besten Deutschlands aller Zeiten legen würde, auch wenn wir uns oft gar nicht mehr daran erinnern. Die Rede ist von Karl dem Großen, der sich am ersten Weihnachtsfeiertag des Jahres 800 n. Chr. vom Papst in Rom zum Kaiser krönen ließ und durch die Wiederherstellung der römischen Kaiserwürde die Herrschaftsstrukturen Europas für über 1.000 Jahre diktierte.
Vom Verwaltungschef zur Königskrone – der Aufstieg der Karolinger
Karl der Große (im Englischen und Französischen auch als Charlemagne bekannt) erhielt seinen Beinamen bereits zu Lebzeiten und war im wahrsten Sinne des Wortes genau das, was sein Titel verrät: ein überdurchschnittlich großer Mann, der die meisten seiner Zeitgenossen mit vermutlich 1,84 Meter Körperlänge um immerhin durchschnittliche 15 Zentimeter überragte. Auch ungeachtet seiner Körpergröße muss er von beeindruckender Erscheinung gewesen sein, selbst wenn ein Mitglied seines Hofes nicht uneingeschränkt schmeichelhaft berichtete:
„Er hatte einen runden Kopf, seine Augen waren sehr groß und lebhaft, die Nase etwas lang; er hatte schöne graue Haare und ein heiteres und fröhliches Gesicht. (…) Sein Nacken war zwar etwas dick und kurz, und sein Bauch trat ein wenig hervor, doch fielen diese Fehler bei dem Ebenmaß seiner Glieder nicht sehr auf.“
Das Licht der Welt erblickte er im Jahr 747 oder 748 als erster Sohn des Frankenkönigs Pippin III., der kurioserweise aufgrund seiner geringen Körpergröße den Beinamen der „Kurze“ bzw. „Kleine“ erhielt. Karl wurde zwar in eine adelige Familie hineingeboren, kam aber noch nicht als Kronprinz zur Welt. Sein Großvater Karl Martell hatte als Hausmeier (quasi „Verwaltungsleiter“) in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts das höchste Amt des Frankenreiches inne, doch die offizielle Königswürde lag in den Händen des schwachen Herrschergeschlechts der Merowinger.
Erst nach jahrzehntelangem Taktieren und in Folge der offiziellen Regierungsübernahme durch Karl Martell im Jahr 737 gelang es schließlich dem oben erwähnten Pippin, also dem Sohn von Karl Martell und Vater von Karl dem Großen, sich mit Hilfe des Papstes im Jahr 751 zum König der Franken wählen zu lassen. Die Dynastie der Karolinger stand nun an der Spitze des Frankenreichs, das nach Pippins Tod im Jahr 768 in die Hände von Karl und seinem Bruder Karlmann überging. (Die Karolinger waren bei der Benennung ihrer Sprösslinge wenig kreativ.)
Wenn zwei sich streiten, muss einer sterben – Karls Weg zur Macht
Die fränkische Erbregelung, nach der das Reich zwischen den männlichen Nachfahren des Königs aufgeteilt wurde, war bereits für den Untergang der Merowinger verantwortlich, die sich in blutigen Erbstreitigkeiten aufgerieben hatten. Dementsprechend war auch Karl mit der Zweiteilung des väterlichen Erbes alles andere als zufrieden.
Zu seinem großem Glück starb jedoch der unglückselige Karlmann im Jahr 771 – vermutlich unter natürlichen Umständen. Und Karl wusste die Situation geschickt zu nutzen: kurzerhand vertrieb er die Frau und Kinder des verstorbenen Bruders und ließ sich zum Alleinherrscher des mächtigen Frankenreiches ausrufen, das sich damals bereits von der Nordsee bis an die französische Atlantikküste erstreckte. Doch selbst im italienischen Exil wollte er seiner Schwägerin keine Ruhe lassen und ließ sie und ihre Söhne von der Bildfläche der Geschichte verschwinden, nachdem er im Sommer 773 auf seinem erfolgreichen Langobardenfeldzug auch den Zufluchtsort der ungeliebten Verwandten überrannte.
Karl handelte aber nicht nur der eigenen Verwandtschaft gegenüber mit strategischer Härte und Kalkül. Auch seine Ehen, immerhin fünf im Laufe seines Lebens, dienten größtenteils strategischen Zwecken: seine erste Frau verbannte er ins Kloster, um eine langobardische Prinzessin zu ehelichen, die er nach dem Tode Karlsmanns wiederum durch eine fränkische Adelige ersetzte, die seine Übernahme der brüderlichen Reichshälfte politisch erleichtern sollte. Nachdem diese dritte Frau, die ihm tatsächlich ans Herz gewachsen war, jedoch mit nur 25 Jahren und nach 9 gemeinsamen Kindern erschöpft das Zeitliche segnete, folgten Ehe Nummer vier und fünf, die ebenfalls mit dem frühzeitigen Tod von Karls Gemahlinnen endeten.
Seine immerhin 18 legitimen Kinder schätzte Karl sehr, doch den Töchtern verbot er die Heirat, um politische Konkurrenz durch mögliche Schwiegersöhne zu verhindern. (Zu seiner Ehrenrettung sei erwähnt, dass er ihnen dennoch ein ungebundenes Liebesleben zugestand.)
Guten Freunden schuldet man eine Krone – die Restaurierung der Kaiserwürde
So ehrgeizig, strategisch und abgebrüht Karl in seinem Streben nach Macht im familiären Umfeld agierte, so kriegerisch-ambitioniert präsentierte er sich auch in seiner Außenpolitik. An der Westgrenze des Frankenreiches behauptete er sich gegen die Mauren, im Süden legte er sich wie bereits erwähnt mit den Langobarden an und im Nordosten eröffnete er ein andauerndes Blutbad gegen das westgermanische Volk der Sachsen, das er zu christianisieren gedachte. Erst nach einem jahrzehntelangen Guerillakrieg in den Wäldern und Sümpfen Norddeutschlands sollte es Karl im Jahr 804 gelingen, den letzten Widerstand der Sachsen zu brechen – knapp 20 Jahre, nachdem sich der Sachsenführer Widukind bereits dem mächtigen Frankenführer und dem christlichen Glauben unterworfen hatte.
Die Eroberung seines beachtlichen Weltreiches, das sich auf einem riesigen Gebiet von Ungarn bis zur Iberischen Halbinsel sowie von Dänemark bis nach Italien erstrecke, könnte an sich Lohn genug sein, doch Karl der Große strebte nach Höherem. Und da er dem amtierenden, äußerst unbeliebten Papst Leo III. nach dessen Flucht aus Rom im Jahr 799 Schutz in Paderborn bot, nutzte er seinen Einfluss auf das Kirchenoberhaupt, um die römische Kaiserwürde zu restaurieren, die mit dem Untergang des Weströmischen Reichs im Jahr 476 n. Chr. ein Ende gefunden hatte.
Seine Krönung zum römischen Kaiser am ersten Weihnachtsfeiertages des Jahres 800 in der Peterskirche zu Rom durch Leo III. war ein einzigartiger politischer Schachzug, der nicht nur Karls herrschaftliche Autorität durch die Legitimation der römischkatholischen Kirche festigte, sondern ihn gar zum weltlichen Oberhaupt der Christenheit kürte. Er hatte den Höhepunkt seiner Macht erreicht, den er bis zu seinem Tod am 28. Januar 814 in Aachen beibehalten würde.
Aus eins mach drei – die Teilung des Frankenreichs
Auch abseits seiner militärischen und politischen Erfolge hinterließ Karl ein wahrlich großes Erbe: zur besseren Verwaltung seines Reiches leitete er die Zentralisierung wichtiger administrativer Strukturen ein und gründete zu diesem Zwecke zahlreiche Königspfalzen (darunter in Aachen und Paderborn), die auch heute noch sein architektonisches Erbe bezeugen. Darüber hinaus förderte er Bildung und Kultur u.a. durch die Gründung von Hofbibliotheken und Domschulen und begünstigte dadurch eine Phase der intellektuellen und kulturellen Blüte, die als karolingische Renaissance die Entwicklung Europas maßgeblich beeinflusste.
Sein Reich hingegen sollte nach seinem Tod nach jahrzehntelangem Nachfolgestreit im Jahr 843 in drei Teile zerfallen: der westfränkische Teil ging an seinen Enkel Karl II. den Kahlen und entwickelte sich zum Vorgänger Frankreichs, der mittlere Teil wurde seinem Enkel Lothar I. zugesprochen (einem Mann ohne Zusatztitel) und der ostfränkische Teil fiel an seinen dritten Enkel, Ludwig II. den Deutschen. Jenes Ostfränkische Reich sollte ca. 100 Jahre später unter König Otto I. dem Großen zur neuen europäischen Großmacht aufsteigen – dem Heiligen Römischen Reich, das auch die Grundlage des heutigen Deutschland bilden würde.
Manche Menschen beschränken sich zu Weihnachten also nicht nur auf den Austausch von Geschenken und weinseligen Trinksprüchen, sondern gründen zum Beispiel Großreiche, die den Lauf der Geschichte verändern. Vielleicht hätte ich ähnlich beeindruckende Ambitionen – wenn mich nicht das Weihnachtsessen und die Extraportion Kartoffelklöße an meine Couch binden würden.
Aber wer weiß, was die Zukunft bringen mag… Und in diesem Sinne wünsche ich euch allen ein wunderbares neues Jahr und freue mich auf ein Wiedersehen in 2024!
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Nachschlag?
Rademacher, C. (2014). Der Erste Kaiser. GEO EPOCHE Nr. 70: Karl der Große und das Reich der Deutschen (800-1806)*, 12/14, 26-41.
Kaufmann, S. (2021, 09. Februar). Karl der Große. Abgerufen 29. Dezember 2023 von https://www.planet-wissen.de/geschichte/mittelalter/karl_der_grosse/index.html
Kaufmann, S. (2021, 09. Februar). Das Privatleben von Karl dem Großen. Abgerufen 29. Dezember 2023 von https://www.planet-wissen.de/geschichte/mittelalter/karl_der_grosse/pwiedasprivatleben100.html
Projekt segu (o.D.). Wie groß war Karl der Große? Abgerufen 28. Dezember 2023 von https://segu-geschichte.de/karl-der-grosse/
Wikipedia (2023). In Wikipedia, die freie Enzyklopädie. Abgerufen 28. Dezember 2023 von https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_der_Gro%C3%9Fe
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Warum gibt es diesen Wissenshappen?
Während die meisten von uns zu Weihnachten und Silvester dem absoluten Nichtstun frönen und dabei Ort und Zeit vergessen, gibt es Menschen, die um das Weihnachtsfest herum beschließen, die Welt zu verändern. Eine dieser historischen Persönlichkeiten war der Frankenkönig Karl der Große, der mit seiner Krönung zum römischen Kaiser am ersten Weihnachtsfeiertag des Jahres 800 n. Chr. die Machtverhältnisse des mittelalterlichen Europas über Jahrhunderte hinweg veränderte. Obwohl wir von unserer heimeligen Couch aus nicht die Welt erobern können (und sollten), so lohnt es sich dennoch, sich mit der Geschichte jenes Mannes zu beschäftigen, der den Weg bereiten sollte für jenes Großreich, aus dem sich das heutige Deutschland entwickeln würde.
Was sollte unbedingt verdaut werden?
Karl der Große war im wahrsten Sinne des Wortes ein großer Mann, der seine Zeitgenossen um viele Zentimeter Körpergröße überragte. Doch auch sein Erbe ist wahrhaft groß: Das Frankenreich, das er 768 n. Chr. von seinem Vater Pippin III. erbte, führte er zu einer neuen europäischen Großmacht, die sich von Ungarn bis zur Iberischen Halbinsel und von Dänemark nach Italien erstreckte. Doch damit nicht genug: mit der Unterstützung des Papstes ließ sich der fränkische König am ersten Weihnachtsfeiertag des Jahres 800 in der Peterskirche zum ersten römisch-deutschen Kaiser krönen – eine Entscheidung, die seine herrschaftliche Autorität festigte und ihn zum weltlichen Oberhaupt der Christenheit kürte. Obwohl Karl der Große seine Siege teils gnadenlos und blutig erkämpfte, setzte er sich dennoch für die Verwaltung und Bildung seines Großreiches ein, das neben der regionalen Expansion auch eine Zeit intellektueller und kultureller Blüte durchlebte.
Disclaimer:
Der obenstehende Text wurde auf Grundlage der gelisteten Quellen erstellt, ist aber explizit unter Berücksichtigung der subjektiven Erkenntnisse, Vorlieben und dem persönlichen Verständnis der Autorin aufzufassen. Es handelt sich nicht um eine wissenschaftliche Ausarbeitung mit akademischen Anspruch, sondern um eine Zusammenfassung von Geschehnissen und Erzählungen nach individuellem Stil und Empfinden der Autorin. Ausnahmslos jeder Wissenshappen möchte Freude am Wissen schaffen, aber nicht als Fachliteratur verstanden werden. Über Anmerkungen, Ergänzungen, Lob oder Kritik freut sich die Autorin und lädt jeden Leser dazu ein, per E-Mail Kontakt aufzunehmen.