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Von der Baumkrone in die Bauernstube: Die Urgeschichte der Menschheit

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Seitdem wir Menschen die Fähigkeit des abstrakten Denkens erlangten, beschäftigt uns wohl kaum ein Geheimnis dieses Universums so sehr wie die zentralen Fragen unseres Seins: Warum existieren wir? Weshalb sind wir so, wie wir sind? Und wer (oder was) ist unser Schöpfer? Natürlich existieren endlose Überlegungen und durchaus vielversprechende philosophische Ansätze, die uns ein bisschen Seelenfrieden spenden können. Doch eindeutige, zweifelsfrei belegbare Antworten bleiben nach wie vor aus – und unsere existenzielle Sinnkrise ist ungebrochen.

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Obwohl noch keine endgültigen Antworten auf die Frage nach dem „Warum“ des menschlichen Lebens vorliegen (und vielleicht wäre das auch ein wenig langweilig), so können wir mittlerweile schlüssige Erklärungen dafür liefern, wie genau wir Menschen eigentlich zu dem wurden, was wir heute sind – zumindest aus biologischer Sicht. Denn aus welchen Gründen wir nicht nur die nötige Intelligenz erlangten, die uns an die Spitze der Nahrungskette katapultierte, sondern auch unsere einzigartige Fähigkeit zu Grausamkeit, Skrupellosigkeit und Rache, bleibt für mich ein unerklärliches Rätsel, das womöglich für immer ungelöst bleiben wird.

Doch da dieser Blog dem Wissen und nicht der Philosophie gewidmet ist, wollen wir uns in diesem Wissenshappen nicht auf den Sinn unserer Existenz fokussieren, sondern vielmehr den verschlungenen Wegen folgen, die zu unserer heutigen „Version“ führten: dem Homo sapiens, dem „verständigen Menschen“. Und nachdem wir im vorherigen Wissenshappen bereits die Geschichte unserer Erde skizziert haben, die das Fundament unserer Existenz bildet, wollen wir uns in diesem Beitrag unserer eigenen Vergangenheit widmen: der Urgeschichte der Menschheit.

Lucy in the sky with diamonds Rückenschmerzen – die Entwicklung des aufrechten Gangs

Selbstverständlich ist die Frage unserer Abstammung und Entwicklung nicht ganz so eindeutig zu beantworten, wie die Einleitung dieses Beitrags suggerieren mag. Denn natürlich ist sich die Wissenschaft auch heute noch nicht über unseren genauen biologischen Ursprung einig oder darüber, welche Zweige unseres evolutionären Stammbaumes zum vorläufigen Ergebnis der modernen menschlichen Existenz führen. Doch immerhin eine zentrale Annahme konnte sich zum Großteil durchsetzen: Vor ungefähr 7 Millionen Jahren begannen unsere Vorfahren, die frühen Menschenaffen (Hominiden) mit einer ungewöhnlichen Form der Fortbewegung, als sie sich von allen Vieren erhoben und im aufrechten Gang die Welt neu entdeckten.

Der Grund für diese Umstellung war recht pragmatisch: da die damals tropischen Regenwälder Afrikas mit der Zeit einer grasbewachsenen Baumsavanne wichen und die Hominiden nicht mehr von Ast zu Ast klettern konnten, mussten sich unsere Vorfahren an die neue Umgebung mit weiten Laufstrecken und hohem Gras anpassen. Das 3,2 Millionen Jahre alte Skelett der Urmenschenfrau „Lucy“, das im Jahr 1974 in Äthiopien entdeckt wurde, gilt als frühester Beweis dieser neuen und äußerst erfolgreichen Gangart. Lucy, die vermutlich mit Mitte 20 starb, gehört zur Art des Australopithecus afarensis, einem der vielen Vorgänger im Stammbaum der Menschenaffen, der vor etwa 3,8 bis 2,9 Millionen Jahren lebte.

Ibuprofen. Bewährt seit Generationen. (Erstellt mit Bing Image Creator)

Ob Lucy selbst die Nachteile der neuen Gangart zu spüren bekam, beispielsweise in Form von (in der Natur eher) ungewöhnlichen Geburtskomplikationen oder schlichten Rücken-, Kreuz- oder Knieschmerzen, kann ich leider nicht sagen. Vielleicht war es auch „Glück“, dass sie in jungen Jahren das Zeitliche segnete und die altersbedingten Verschleißerscheinungen vermeiden konnte, von denen jeder Ü30-Jährige leidvoll zu berichten weiß. Nicht, dass ich sie um ihr frühzeitiges Ableben beneide – aber ohne Ibuprofen und die moderne Medizin kann der aufrechte Gang einfach keinen Spaß machen.

Grenzenlose Liebe – das genetische Erbe der Urmenschen

Im Laufe der millionenalten Evolutionsgeschichte des Menschen bevölkerten verschiedene Gattungen und Arten unserer Vorfahren die Erde, vermischten sich, lösten einander ab und starben aus. Die Australopithecinen, denen Lucy angehörte, werden zwar gemeinsam mit uns zur Familie der Hominiden gezählt, sind aber keine direkten Vorfahren des modernen Menschen. Als „erster Mensch“ gilt stattdessen der Homo rudolfensis, der vor 2,5 bis 1,8 Millionen in Afrika angesiedelt war und erste Werkzeuge herstellte.

Bwd, Stammbaum der Entwicklung des Menschen, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

Der Homo erectus, der vor 1,8 Millionen bis zu einer Zeit vor 40.000 Jahren lebte und als erster Hominiden-Vertreter Afrika verließ, wird heute als Bindeglied zwischen dem modernen Menschen und den Urmenschen betrachtet. Dieses erste Mitglied der Menschengattung Homo ähnelte uns Jetzt-Menschen anatomisch deutlich stärker als alle bisherigen Vorgänger und zeichnete sich bereits durch die Nutzung von Jagd- und Steinwerkzeugen aus. Auch das Feuer hatte er sich bereits Untertan gemacht: die ersten Feuerstellen können auf einen Zeitraum vor 1,7 Millionen Jahren zurück datiert werden.

Doch nicht nur wir selbst verdanken dem Homo erectus unseren Ursprung: er gilt auch als Vorfahre unseres größten Konkurrenten, dem Homo neanderthalensis, der vor 80.000 Jahren große Teile Europas bevölkerte und vor rund 40.000 Jahren aus unbekannten Gründen ausstarb. So ganz verschwunden ist der berühmte Neandertaler, den wir übrigens fälschlicherweise als Sinnbild des steinzeitlichen Grobians betrachten, dennoch nicht: auch heute noch tragen wir ca. ein bis zwei Prozent seiner Gene in uns. Der Neandertaler und der Homo sapiens begaben sich in ihrer gemeinsamen Zeit auf Erden nämlich nicht nur regional auf Tuchfühlung – wenn ihr versteht, was ich meine.

Kreative Nomaden und ackernde Landwirte – der neue Lebensstil der Menschheit

Die ersten nachweisbaren Spuren des modernen Menschen finden sich in Marokko und datieren auf eine Zeit vor ca. 300.000 Jahren. Von diesem Zeitpunkt an begann die Expansionsgeschichte des Homo sapiens: vor ca. 130.000 Jahren verließen unsere Urahnen den afrikanischen Kontinent und eroberten von dort aus die Welt, und bereits vor 45.000 Jahren waren sie in Europa heimisch.

Rhinos Chauvet Cave, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

Mit der Erschließung der Welt entwickelten sich auch zunehmend die handwerklichen Fähigkeiten der Frühmenschen, die nicht nur in der Bearbeitung von Stein und der Herstellung von Waffen und Werkzeugen beachtliche Fortschritte erzielten, sondern auch einen Sinn für die Kunst entwickelten: aus Elfenbein oder Knochen geschnitzte Figuren und Musikinstrumente deuten darauf hin, dass die kreative Schaffenskraft des modernen Menschen bereits vor 75.000 Jahren ihren Anfang nahm. Die ältesten Höhlenmalereien, die für uns wohl die beeindruckendsten Denkmale der frühmenschlichen Kunst darstellen, datieren jedoch „erst“ auf einen Zeitpunkt vor ca. 45.000 Jahren in Indonesien und vor ca. 40.000 Jahren in Spanien.

Vor ungefähr 12.000 Jahren führte schließlich ein Wandel der menschlichen Lebensweise zu einer Revolution, die das Ende der berühmten Steinzeit einläutete; jener längsten Phase der Menschheitsgeschichte, die mit dem Aufkommen der ersten Steinwerkzeuge vor ca. 2,6 Millionen Jahren begann. Durch die Veränderung des Klimas und der einhergehenden Umweltbedingungen begannen die Menschen, insbesondere in den fruchtbaren Gebieten Vorderasiens (auch bekannt als „fruchtbarer Halbmond“), zunehmend sesshaft zu werden und den nomadischen Lebensstil des Jägers und Sammlers zugunsten der neu entstandenen Landwirtschaft aufzugeben.

Rasanter Fortschritt – mit ungewissem Ausgang

Mit dieser veränderten Lebensweise, die als Neolithische Revolution bezeichnet wird und vom französischen Philosophen Jean-Jacques Rousseau als Wurzel der gesellschaftlichen Ungleichheit betrachtete wurde, begann ein neues Leben der Menschen, die sich über die nächsten Jahrtausende in immer komplexeren Sozialverbänden organisierten, Herrschaftsstrukturen einführten und mit der Bearbeitung von Keramik und Metall immer raffiniertere Werkzeuge und Hilfsmittel erschufen. Der Siegeszug der Menschheit über die Natur war nicht mehr aufzuhalten – und der Rest ist im wahrsten Sinne des Wortes Geschichte.

Ob sie ein gutes oder schlechtes Ende nehmen wird, werden wir selbst (hoffentlich) nicht mehr herausfinden. Und es bleibt uns und allen zukünftigen Generationen vorbehalten, unseren eigenen Beitrag zur Erd- und Menschheitsgeschichte zu leisten – vielleicht kann uns diese Vorstellung ein wenig dabei helfen, unsere Taten und Worte mit etwas mehr Sorgfalt zu wählen.

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Nachschlag?

ARD alpha (2022, 29. Juli). Homo sapiens. Die Entwicklung des modernen Menschen. Abgerufen 01. November 2023 von https://www.ardalpha.de/wissen/geschichte/urzeit/homo-sapiens-evolution-geschichte-moderner-mensch-102.html

Südwestrundfunk (2021). Der Stammbaum des Menschen. Abgerufen 01. November 2023 von https://www.planet-schule.de/mm/stammbaum_des_menschen/

Wei-Haas, M. (2020, 11. Februar). In uns steckt mehr Neandertaler-DNA als gedacht. Abgerufen 03. November 2023 von https://www.nationalgeographic.de/wissenschaft/2020/02/uns-steckt-mehr-neandertaler-dna-als-gedacht

Bernhard, P. (2022, 09. Juni). Wichtige Epochen der Geschichte mit Zeitstrahl. Abgerufen 04. November 2023 von https://insights.gostudent.org/epochen-der-geschichte-zeitstrahl

Blakemore, E. (2019, 08. April). Erklärt: Was ist die neolithische Revolution? Abgerufen 04. November 2023 von https://www.nationalgeographic.de/geschichte-und-kultur/2019/04/erklaert-was-ist-die-neolithische-revolution

Warum gibt es diesen Wissenshappen?

Die großen Errungenschaften der Menschheit sollten immer im Kontext ihrer jeweiligen Zeit betrachtet werden. Dabei vergessen wir jedoch oft den Blick auf das große Ganze: die Milliarden Jahre der Erd- und die Millionen Jahre der Menschheitsgeschichte als Rahmen unseres Seins. Denn wir wurden nicht einfach so geschaffen, wie wir heute sind – stattdessen sind wir das Produkt eines weitverzweigten Stammbaumes, der auch heute noch nicht vollständig geklärt ist. Doch eines ist gewiss: Der Weg zum modernen Menschen war lang und geprägt von dramatischen Umbrüchen unserer Lebensweise, die in der Entwicklung des aufrechten Ganges vor ca. 7 Millionen Jahren ihren Anfang nahm.

Was sollte unbedingt verdaut werden?

Nachdem das Leben vor ca. 3,8 Milliarden Jahren seinen Ursprung in Ozeanen der prähistorischen Erde fand, folgte es einem unübersichtlichen evolutionären Stammbaum mit einer schier endlosen Anzahl von Abzweigungen und Sackgassen. Auch die Entwicklung des modernen Menschen erfolgte nicht linear, sondern ist das Ergebnis einer Vielzahl von Urahnen, die ihren genetischen Beitrag leisteten. So wurden die meisten unserer Vorfahren, die Hominiden (Menschenaffen), zum Verlierer der Evolution und starben aus, doch ihr genetisches Erbgut lebt zum Teil in uns weiter: auch heute noch tragen wir Jetzt-Menschen ein bis zwei Prozent der Gene unserer größten Konkurrenten, dem Neandertaler, in uns. Doch am Ende kennt die menschliche Evolution nur einen Gewinner: den Homo sapiens – der moderne, sesshafte Menschen, der vor ca. 12.000 Jahren durch die Neolithische Revolution das Ende der Steinzeit einläutete.

Disclaimer:
Der obenstehende Text wurde auf Grundlage der gelisteten Quellen erstellt, ist aber explizit unter Berücksichtigung der subjektiven Erkenntnisse, Vorlieben und dem persönlichen Verständnis der Autorin aufzufassen. Es handelt sich nicht um eine wissenschaftliche Ausarbeitung mit akademischen Anspruch, sondern um eine Zusammenfassung von Geschehnissen und Erzählungen nach individuellem Stil und Empfinden der Autorin. Ausnahmslos jeder Wissenshappen möchte Freude am Wissen schaffen, aber nicht als Fachliteratur verstanden werden. Über Anmerkungen, Ergänzungen, Lob oder Kritik freut sich die Autorin und lädt jeden Leser dazu ein, über die Kommentarfunktion Kontakt aufzunehmen.

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Schlagwörter: , , Last modified: 5. November 2023