Bevor die Überschrift all diejenigen unter euch verjagt, die so wie ich mit eher überschaubarem mathematischen Talent gesegnet wurden: keine Sorge, dieser Beitrag zielt nicht darauf ab, die Wunden der Schulzeit frisch aufzureißen und tiefsitzende intellektuelle Traumata zu triggern.
Im Gegenteil: ich wünschte mir, dass ich dem Thema dieses Wissenshappens bereits in meiner Kindheit oder Jugend begegnet wäre, und nicht erst als Mittdreißigerin, deren fluide Intelligenz sich bereits auf Talfahrt befindet (über die fluide Intelligenz erfahrt ihr in diesem Wissenshappen mehr). Es handelt sich nämlich um einen Anwendungsfall der Mathematik, der – anders als die Schulbücher und Klassenarbeiten meiner Schulzeit – auch die kreativen Köpfe unter uns anregen, Sudoku-Fans begeistern und ganz einfach Spaß machen kann: das sogenannte magische Viereck.
Doch was genau soll an einem geometrischen Konstrukt bitteschön magisch sein? Und geht das überhaupt, Magie, Geometrie und „Spaß“?
Magische Konstanten und Quadrate dritter Ordnung
Auch wenn magische Vierecke nicht in der Zauberwelt von Harry Potter auftauchen, so handelt es sich bei ihnen um ein mathematisches Phänomen, das die Menschen unterschiedlicher Kulturen bereits seit Jahrhunderten, wenn nicht sogar seit Jahrtausenden, fasziniert. Und der Zauber, der sie umgibt, speist sich vielleicht zu einem gewissen Teil aus dem schlichten Erstaunen darüber, wie schön, symmetrisch und fast schon „einfach“ die Mathematik sein kann.
Lasst uns zur Veranschaulichung das folgende Quadrat und die enthaltenen Zahlen betrachten:
Wenn wir nun in jeder Zeile, Spalte und Diagonale die Zahlen zusammenrechnen, erhalten wir jeweils die Summe 15 – und genau das steckt hinter der Definition eines magischen Viereckes: die Summe aller Zeilen, Spalten und der zwei Diagonalen muss immer gleich sein. Diese übereinstimmende Summe wird auch als „magische Konstante“ bezeichnet.
Bei unserem Beispiel handelt es sich um ein magisches Viereck der dritten Ordnung (da es aus drei Zeilen und drei Spalten besteht), für die magische Konstante ergibt sich die Summe 15. Wenn wir alle Zahlen dieses magischen Vierecks aufsummieren (also 1+2+3+4+5+6+7+8+9 rechnen) und diese Gesamtsumme (= 45) auf die drei Zeilen und Spalten gleichmäßig verteilen, kann die magische Konstante auch nur 45/3 = 15 betragen, um die Definition eines magischen Quadrates zu erfüllen.
Augen zu und durch – das Formelwerk des magischen Quadrates
Um es etwas mathematischer auszudrücken (und euch die Berechnung von magischen Vierecken anderer Ordnung zu ermöglichen), so lässt sich die magische Konstante mit der folgenden Formel berechnen: (n3+n)/2
Oder wie ChatGPT (den ich beim Bloggen gerne zu Rate ziehe) vorschlagen würde: (n2+1)*(n/2)
Lasst uns das kurz für unser magisches Viereck der dritten Ordnung überprüfen: (33+3)/2 = (27+3)/2 = 30/2 = 15 bzw. gemäß ChatGPT: (32+1)*(3/2) = (9+1)*1,5 = 10*1,5 = 15
Für unser Beispielquadrat der dritten Ordnung existiert nur eine Darstellungsweise, sofern wir Spiegelungen und Drehungen nicht berücksichtigen. Für alle magischen Vierecke mit einer höheren Ordnung lassen sich hingegen unzählige Lösungswege nutzen, wobei das unzählig wörtlich zu verstehen ist: können für magische Vierecke der vierten Ordnung noch überschaubare 880 Lösungen gefunden werden, so sind es bei magischen Vierecken der fünften Ordnung bereits 275.305.224 und bei jenen der sechsten Ordnung unvorstellbare 1.090.795.678.555.014 Lösungsvarianten (laut ChatGPT)!
Magische Vierecke für Anfänger – eine Anleitung zum selber Zaubern
Damit wir das Gelernte nicht direkt wieder vergessen, konstruieren wir nun gemeinsam ein magisches Viereck der siebten Ordnung: Wir beginnen dabei mit der 1, die wir in der äußersten rechten Spalte genau in der mittigen Zelle eintragen. Anschließend wandern wir schräg nach rechts aus dem Quadrat heraus und setzen die Zahlenreihe in der äußersten linken Spalte, eine Zeile unterhalb, mit der 2, 3 und 4 fort. Nach der 4 laufen wir erneut aus dem Quadrat heraus und springen eine Spalte nach rechts oben, wo wir die 5, 6 und 7 hinterlegen.
Schräg unterhalb der 7 stoßen wir auf die von uns bereits eingetragene 1, daher rutschen wir eine Spalte nach links (direkt neben die 7) und vermerken die 8, 9 und 10, bis wir erneut an den rechten Rand des Vierecks stoßen, auf die linke Seite springen und eine Zeile unterhalb mit der 11 und 12 weitermachen. Diesem Prinzip folgend befüllen wir schräg Reihe für Reihe.
Für unsere Vorgehensweise muss das mittlere Feld des Quadrates – zumindest in einem magischen Viereck mit ungerader Ordnung – der mittleren Zahl der gesamten Zahlenreihe entsprechen. In dem dargestellten Beispiel wäre dies die 25, da sie in der Zahlenreihe von 1 bis 49 genau zwischen den 24 Zahlen der ersten und der zweiten Hälfte liegt. Natürlich können magische Vierecke auch auf andere Weise konstruiert werden, was jedoch meinen mathematischen Verständnishorizont übersteigt. Auch hier kann ChatGPT helfen und in Sekundenschnelle eine fertiges Ergebnis präsentieren, z.B. für ein magisches Viereck der fünften Ordnung:
Da uns das jedoch den Knobelspaß raubt, könnt ihr auch eure eigenen Lösungshilfen suchen oder ganz einfach rumbasteln und ausprobieren.
Magische Kunst – Dürer, Gaudí und der Zauber der Mathematik
Magische Vierecke faszinieren nicht nur die Rätselbegeisterten unter uns – sie zogen bereits verschiedene Geistesgrößen und Künstler der Vergangenheit in ihren mysteriösen Bann. Das berühmteste Beispiel liefert wohl der deutsche Großmeister der Renaissance höchstpersönlich: Albrecht Dürer der Jüngere, der zu Lebzeiten mit seinen Druckgrafiken und Gemälden die europäische Kunstwelt begeisterte. In seinem meisterhaften Kupferstich „Melencolia“ aus dem Jahr 1514 findet sich in der rechten oberen Bildecke ein Quadrat, das uns nun mehr als bekannt vorkommen sollte: ein magisches Viereck!
Die magische Konstante (also die Summe der jeweiligen Spalten, Zeilen und Diagonalen) in Dürers Werk entspricht der korrekten Summe von 34. Was jedoch zusätzlich auffällt und beeindruckt: Es handelt sich bei Dürers magischem Quadrat um ein zentralsymmetrisches Viereck, bei dem die gegenüberliegenden Zahlen des inneren sowie des äußeren Vierecks die Summe 17 ergeben. Außerdem findet sich in den mittleren Zahlen der untersten Zeile das Entstehungsdatum des Gemäldes (1514) sowie in den äußeren unteren Kästchen die Initialen des Künstlers, wenn man die 4 als den vierten Buchstaben des Alphabets (D) und die 1 als den ersten (A) interpretiert.
Doch Dürer ist bei Weitem nicht der einzige Künstler, der die Magie der besonderen Vierecke in sein Werk einbaute: auch Antoni Gaudí, der berühmte spanische Architekt, versteckte ein magisches Viereck in seinem monumentalen Meisterwerk, der Sagrada Família. Gaudís Quadrat verstößt zwar gegen die normalen Konstruktionsregeln, da es nicht auf der vollständigen Zahlenreihe von 1 bis 16 aufbaut. Noch auffälliger ist jedoch, dass die Summe der Zeilen, Spalten und Diagonalen nicht wie erwartet 34, sondern 33 ergibt – was dem vermeintlichen Alter entspricht, in dem Jesus Christus gekreuzigt wurde.
Die Hexe und das Viereck – Goethes mysteriöses Zahlenspiel
Albrecht Dürer mag ein schlechtes Beispiel sein, wenn es darum geht, die Einfachheit und Anwendbarkeit der Mathematik beweisen zu wollen. Denn er selbst war ein äußerst begabter Mathematiker, der sogar das erste Geometriebuch in deutscher Sprache mit dem wohlklingenden Titel „Underweysung der messung mit dem zirckel un richtscheyt in Linien ebnen unnd gantzen corporen“ im Jahr 1525 veröffentlichte.
Aber eine Geistesgröße der Vergangenheit kann den weniger Talentierten unter uns Hoffnung machen: Johann Wolfgang von Goethe bezeichnete sich selbst als eher hoffnungslosen Fall in den Künsten der Algebra und Numerik und ist uns daher als unangefochtener Dichter- und weniger als begnadeter Rechenfürst bekannt. Doch es gibt Anlass zur Vermutung, dass selbst der Mann der Worte (und nicht der Zahlen) dem Zauber des magischen Viereckes erlag und möglicherweise in seinem „Hexeneinmaleins“ im ersten Teil des „Faust“ eine Konstruktionsanleitung versteckt haben könnte:
„Du musst verstehn!
Aus Eins mach’ Zehn,
Und Zwei lass gehn,
Und Drei mach’ gleich,
So bist Du reich.
Verlier’ die Vier!
Aus Fünf und Sechs,
So sagt die Hex’,
Mach’ Sieben und Acht,
So ist’s vollbracht:
Und Neun ist Eins,
Und Zehn ist keins.
Das ist das Hexen-Einmal-Eins!“
Und weil es viel zu einfach wäre, die möglichen Varianten des geheimen magischen Vierecks aufzulisten, überlasse ich eurem neugierigen Geist die Lösung zu finden. Doch einen kleinen Tipp möchte ich euch geben:
Das Quadrat besitzt der Spalten drei
So schaut auch hier in drei Wochen wieder vorbei!
Die Dichtkunst sollte ich vielleicht noch ein wenig üben – aber magische Vierecke zaubern, das kann ich jetzt!
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Nachschlag?
Herrmann, N. (2018). Mathematik und Gott und die Welt: Was haben Kunst, Musik oder Religion mit Mathematik am Hut?*(3. Auflage). Berlin, Deutschland: Springer.
Bellos, A. (2011, 03. Mai). Addition mit Grazie. Abgerufen 26. Mai 2023 von https://www.freitag.de/autoren/the-guardian/addition-mit-grazie
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Warum gibt es diesen Wissenshappen?
Das Schulfach Mathematik bleibt vielen von uns als Schrecken unserer Jugend in Erinnerung. Dabei bietet dieses Fachgebiet so viel mehr als bloß beängstigende Formel- und komplizierte Zahlenwerke, die nur die schlauesten aller Mathe-Nerds verstehen. Tatsächlich verstecken sich in der Mathematik ganze Zauberwelten der Numerik, die menschliche Kulturen bereits seit Jahrhunderten faszinieren. Zu einem dieser Phänomene zählen „Magische Vierecke“: zauberhafte Matrizen, die festen Regeln folgen und auf überraschend anschauliche Weise die wundersame Symmetrie der Mathematik offenbaren. Und nicht nur eingefleischte Sudoku-Fans kommen bei magischen Vierecken auf ihre Kosten – auch große Künstler der Vergangenheit erlagen der Faszination der besonderen Quadrate und verewigten sie mit geheimen numerischen Botschaften in ihren monumentalen Werken.
Was sollte unbedingt verdaut werden?
Magische Vierecke tauchen zwar nicht in der Zauberwelt von Harry Potter auf, dafür aber in einigen Jahrhundertwerken der Kunst und Architektur: bereits Albrecht Dürer zauberte ein besonderes Quadrat in seinen berühmten Kupferstich „Melencolia“, dessen Spalten, Zeilen und Diagonalen dieselbe Summe ergeben. Und auch Antoni Gaudí verewigte ein mysteriöses Zahlenviereck in seiner „Sagrada Família“, in dem sich die Zahlenreihen auf dieselbe Zahl aufsummieren lassen. Es handelt sich dabei um magische Vierecke, in denen die Spalten, Zeilen und Diagonalen stets dieselbe Summe ergeben – die sogenannte „magische Konstante“. Wer einmal diesem Zahlenzauber erlegen ist, hat viel zu knobeln: denn je nach Ordnung (d.h. Anzahl der Spalten und Zeilen des Quadrates) sind Billiarden von Lösungsvarianten möglich – und erlauben es uns, wie auch bereits Dürer und Gaudí, versteckte numerische Botschaften zu hinterlegen.
Disclaimer:
Der obenstehende Text wurde auf Grundlage der gelisteten Quellen erstellt, ist aber explizit unter Berücksichtigung der subjektiven Erkenntnisse, Vorlieben und dem persönlichen Verständnis der Autorin aufzufassen. Es handelt sich nicht um eine wissenschaftliche Ausarbeitung mit akademischen Anspruch, sondern um eine Zusammenfassung von Geschehnissen und Erzählungen nach individuellem Stil und Empfinden der Autorin. Ausnahmslos jeder Wissenshappen möchte Freude am Wissen schaffen, aber nicht als Fachliteratur verstanden werden. Über Anmerkungen, Ergänzungen, Lob oder Kritik freut sich die Autorin und lädt jeden Leser dazu ein, über die Kommentarfunktion Kontakt aufzunehmen.