Written by: Kultur

Vom (Südwest) Wind verweht: Eine viel zu kurze Reise durch Namibia

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Reisen bildet – das sagt sich nicht nur schön, es stimmt auch ganz einfach. Auch wenn man noch so viel lesen mag, am besten lernt man die Dinge einfach, in dem man sie erlebt. Und das gilt ganz bestimmt für meinen diesjährigen Jahresurlaub, den ich endlich – nachdem Corona es lange genug verhindert hat – im wunderschönen Namibia verbringen konnte. Und hier ist auch dieser Wissenshappen entstanden: mitten in der Kalahari und der Namib, umweht vom wunderbar kühlenden Südwestwind und begleitet vom Zirpen, Quietschen, Quäken, Fiepen, Trällern, Singen, Knattern und Flöten der einheimischen, unfassbar abwechslungsreichen Tierwelt. Ab und zu laufen in der Ferne ein paar Erdmännchen, Vogelstrauße oder Kudus vorbei und auch das ein oder andere Perlhuhn oder ein knuffiger Klippschliefer haben sich blicken lassen.

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Bevor ich in Namibia angekommen bin, hatte ich – um ganz ehrlich zu sein – kaum eine Vorstellung davon, was mich erwarten würde. Ich wusste, dass ich hierher wollte, weil ich die Wüste liebe (denn ich bin eher für trockene Hitze geschaffen als für tropische Schwüle). Ich wusste, dass uns Deutsche eine kurze, aber dennoch blutige Kolonialzeit mit diesem Land fast am unteren Ende des afrikanischen Kontinents verbindet und dass diese Nation auch heute noch viele europäisch-stämmige Namibier beheimatet. Und ich habe begeisterte, gar schockverliebte Reiseberichte gehört über dieses Land, das viele Menschen kaum auf dem Schirm haben – was vielleicht besser ist für Namibia. Denn nichts ist wahrer als das, was bereits Ende der 1950er Jahre der deutsche Schriftsteller und Kulturkritiker Hans Magnus Enzensberger feststellte:

„Der Tourist zerstört das, was er sucht, indem er es findet.“

Aber zurück zum eigentlichen Thema: zu Namibia, diesem wunderbaren Land, das so viel Schönes zu bieten hat, und über das die meisten von uns einfach viel zu wenig wissen.

Viel Land und wenig Menschen – die Quintessenz Namibias

Dünen in der Namibwüste (private Aufnahme)

Lasst uns mit dem Namen des Landes an sich beginnen – und damit meine ich den eigenen, „echten“ Namen „Namibia“ und nicht den schrecklichen (und zum Glück nicht mehr verwendeten) kolonial-deutschen Begriff „Deutsch-Südwestafrika“. Übersetzt bedeutet „Namibia“ nämlich „Weite der Landschaft“ und stammt aus der Sprache der Nama, einem der großen Volksstämme des Landes. Und kein Begriff könnte passender sein als eben dieser, denn Namibia besteht wirklich nur aus Weite – bei einer Landesfläche, die mehr als doppelt Mal so groß ist wie Deutschland, mit aber nur 2,6 Millionen Einwohnern deutlich dünner besiedelt, ist das auch gar nicht so schwer. Dank der durchschnittlich 3,1 Einwohnern pro Quadratkilometer (im Vergleich zu 232,5 Einwohnern pro Quadratkilometer in Deutschland) kann man dieses Land als nahezu herrlich menschenleer bezeichnen.

Der Großteil Namibias besteht zudem aus Wüste: zum einen aus der Kalahari (auch wenn diese strenggenommen aufgrund des zu „hohen“ Niederschlags keine „echte“ Wüste ist) mit ihren roten Dünen im Osten des Landes und zum anderen aus der Namib, der ältesten Wüste der Erde, die sich die gesamte Atlantikküste Namibias entlang zieht. Dazwischen verteilen sich unzählige Quadratkilometer an Busch- und Baumlandschaft, Bergen und Hügeln, trockener Erde und riesigen Farmgebieten (die größte Farm, die ich persönlich kennengelernt habe, umfasst unglaubliche 20.000 Hektar), auf denen natürlich dann doch auch Menschen zu finden sind (die übrigens ausnahmslos immer extrem herzlich und gastfreundlich sind).

Namibgecko (private Aufnahme)

Doch viel spannender als die wenigen Menschen, die man auf Namibias Farmen antrifft, sind die unglaubliche Anzahl und Variation von Weidevieh und Wildtieren: vom wendigen Dik-dik über den unglaublich überlebensfähigen Oryx bis hin zum beeindruckenden Leoparden sowie einer bunten, abwechslungsreichen und exotischen Vogelwelt ist für fast jeden Tierliebhaber etwas dabei. Im nördlichen Teil des Landes, speziell in der berühmten Etosha-Pfanne, findet man auch Tierarten, die man undifferenziert gerne mit ganz Afrika verbindet, also Elefanten, Nashörner, Löwen, Zebras und co. Doch auch in anderen Landesteilen bekommt man als Tourist eine vergleichbar exotische Auswahl an Tieren auf den kommerziellen Jeep Safaris der geschäftstüchtigen Lodges präsentiert – diese meist aus Südafrika importierten Exemplare sorgen jedoch eher für ein gewisses Zoo-Feeling als dass sie der wahren Natur dieses Landesabschnitts entsprächen.

Insgesamt ist Namibia also riesig und relativ menschenleer, gleichzeitig jedoch alles andere als „leblos“. Tatsächlich ist es eines der tierreichsten Länder der Welt, was man dann anfängt zu glauben, wenn man bei jedem vergleichsweise leisen Schritt durch die Touristenunterkünfte über irgendein wildes (aber meist harmloses) Tier stolpert.

Sandhühner und Klippschliefer am Waterberg (private Aufnahme)

Der Weg zur Unabhängigkeit und kulturellen Vielfalt

Doch nicht nur die Natur und die Tierwelt Namibias sind aufregend und lehrreich; auch die Kultur und Geschichte verdienen einen Platz in unserem Allgemeinwissen. So ist unbedingt erwähnenswert, dass Namibia erst im Jahr 1990 die Unabhängigkeit erlangte und seitdem durch ein präsidial-republikanisches (also semipräsidentielles) System geführt wird. Der erste Präsident der neuen Nation war Sam Nujoma, ein leidenschaftlicher, allerdings leider auch recht korrupter Unabhängigkeitskämpfer. Die staatliche Souveränität musste sich das Land nicht nur von der deutschen Kolonialherrschaft erkämpfen, die von 1884 bis 1915 ihre wenig ehrenvollen Ziele verfolgte, sondern auch von der Mandatsmacht Südafrika und dem damit einhergehenden Apartheidsregime.

Die Bevölkerung Namibias ist unglaublich vielschichtig und reicht vom Naturvolk der San über die europäischstämmigen Namibier bis hin zu den verschiedenen Völkern der Ovambo, welche die größte Bevölkerungsgruppe stellen, der oben erwähnten Nama (und Damara) sowie der Himba und Herero. Entsprechend bunt gestaltet sich auch die linguistische Sprachtapete: auch wenn die Amtssprache Englisch wenig exotisch ist, werden insgesamt zehn unterschiedliche Nationalsprachen in Namibia gesprochen, darunter Afrikaans, Khoekhoegowab (der Zusammenschluss der Khosainsprachen, darunter Nama und Damara), Oshivambo (eine der Bantusprachen, die von ca. 45% der Bevölkerung gesprochen wird und sehr dialektreich vertreten ist), OtjiHerero und nach wie vor auch zu einem gewissen Teil Deutsch.

Wo die Uhren kaum anders gehen – Namibia für Anfänger

Für den gemeinen Touristen lohnt es sich zudem zu wissen, dass als Währung nicht nur der Namibische Dollar, sondern in nahezu identischer Höhe auch der südafrikanische Rand akzeptiert wird. Und um das Leben der zum Großteil deutschen Touristen zusätzlich zu erleichtern, beträgt der Zeitunterschied zwischen Namibia und Deutschland maximal eine Stunde, so dass der unangenehme Jetlag in der Regel ausbleibt, nachdem man die zehn Stunden Flug von Frankfurt am Main zum Hosea Kutako Flughafen in Windhoek (der Hauptstadt Namibias) überstanden hat.

Schotterstraße in Namibia (private Aufnahme)

Damit wir Touristen es uns aber nicht gar zu einfach machen, stellt uns Namibia noch vor eine letzte große Herausforderung: das Autofahren. Zum einen muss der gefürchtete Linksverkehr bewältigt werden, den Namibia der Mandatsherrschaft Südafrikas verdankt (tatsächlich wurde der Rechtsverkehr extra umgestellt), was jedoch aufgrund der unfassbar niedrigen Verkehrsdichte selten genug auffällt: Wenn man quasi mutterseelenallein auf der Straße unterwegs ist (und das ist man die meiste Zeit), kann man schließlich fahren, wo man will. Zum anderen – und diese Herausforderung ist letztlich die viel Größere – muss man die namibischen Straßen an sich überstehen. Wer glaubt, dass westdeutsche Straßen bereits dringend erneuert werden müssten, der soll mal ein paar Wochen auf Namibias gefürchteten Sand-, Stein- und Schotterpisten überstehen. Danach möchte man sich nie wieder über ein harmloses Schlagloch auf einer deutschen Straße beschweren.

Unbegrenzte Weite und grenzenlose Schönheit – Sehnsuchtsland Namibia

Namibdünen am Atlantik (private Aufnahme)

Es gibt so viele bemerkenswerte Fakten über Namibia aufzuzählen und zu erfahren.* Doch das Wichtigste, was es über diesen wunderbaren Fleck Erde zu wissen gibt, ist gleichzeitig das, was man am wenigsten beschreiben und tatsächlich einfach erleben muss: die unendliche Stille und den grenzenlosen Horizont, der selbst mich als Norddeutsche, die den ungestörten Fernblick gewöhnt ist, vollkommen überwältigt. Wenn man glaubt, in Deutschland einen ruhigen Ort gefunden zu haben, an dem man gleichzeitig ans Ende der Welt blicken kann, dann wird man hier kleinlaut feststellen müssen: in Namibia blickt man noch ein bisschen weiter, hört noch ein bisschen weniger und ist mit sich selbst, der wunderschönen Landschaft und der heimischen Tierwelt nahezu, wenn nicht sogar ganz, alleine.

Wer die Einsamkeit scheut, sollte Namibia meiden. Allen anderen wünsche ich einen so unvergesslichen Aufenthalt, wie ich ihn selbst erleben durfte. Und natürlich das, was man jedem auf seiner Reise durch dieses Land hoffnungsfroh wünschen sollte:

Gute Pad!“ – „Gute Straße!“

Ihr werdet sie brauchen.

Sonnenaufgang in der Namib (private Aufnahme)

*Natürlich ist Namibia nicht nur eine Nation der wunderschönen Landschaften und des unbeschwerten Tourismus, sondern kämpft wie auch andere Länder mit Armut, Bildungsungleichheit, Diskriminierung, Korruption, Dürren und einem Ein-Parteien-System, das einer echten politischen Vielfalt diametral gegenübersteht. Auch wenn sich ein Wissenshappen naturgemäß inhaltlich beschränken muss, soll dies nicht unerwähnt bleiben.

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Nachschlag?

Prantl, D. (2019). Gebrauchsanweisung für Namibia* (2. Auflage). München, Deutschland: Piper Verlag GmbH.

Laenderdaten.info. Namibia. Abgerufen 05. November 2022 von https://www.laenderdaten.info/Afrika/Namibia/index.php

Wikipedia (2022). In Wikipedia, die freie Enzyklopädie. Abgerufen 05. November 2022 von https://de.wikipedia.org/wiki/Namibia

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Warum gibt es diesen Wissenshappen?

Es gibt Urlaubsländer, die jeder deutsche Tourist kennt oder selbst bereits besucht hat. Und es gibt Namibia – ein Land, das den wenigsten von uns ein Begriff ist. Dabei ist die Nation am unteren Zipfel des afrikanischen Kontinents ein echtes Paradies für europäische (und zum Großteil deutsche) Urlauber, das wunderschöne und abwechslungsreiche Landschaften, herzliche Gastgeber und einzigartige Natur zu bieten hat. Doch Namibia ist noch so viel mehr als nur eine aufregende Touristenattraktion voller exotischer Tiere und beeindruckender Selfie-Kulissen; es ist ein Land der kulturellen Vielfalt und ökologischer Besonderheiten – und ein Land der grenzenlosen Weite.

Was sollte unbedingt verdaut werden?

Namibia: die „Weite der Landschaft“, einen passenderen Namen könnte es nicht geben für dieses afrikanische Land, das nicht nur zweieinhalb Mal so groß ist wie Deutschland, sondern mit nur 2,6 Millionen Einwohner auch deutlich dünner besiedelt. Doch Namibia ist kein karges oder gar lebloses Land, trotz oder gerade wegen der zwei Wüsten, die es kennzeichnen: einerseits die Kalahari im Osten des Landes und andererseits die Namib, die älteste Wüste der Welt, die sich an der Atlantikküste entlang zieht. Tatsächlich ist Namibia eines der tierreichsten Länder der Erde und überrascht den ahnungslosen Urlauber mit exotischen und endlosen Tiersichtungen. Gleichzeitig ist es eine Nation der Vielfältigkeit, die sich durch zehn unterschiedliche Nationalsprachen (darunter Afrikaans, Englisch und Deutsch), zahlreiche Volksgruppen und eine noch recht kurze Geschichte der Unabhängigkeit auszeichnet – und durch außergewöhnlich schlechte Straßen.

Disclaimer:
Der obenstehende Text wurde auf Grundlage der gelisteten Quellen erstellt, ist aber explizit unter Berücksichtigung der subjektiven Erkenntnisse, Vorlieben und dem persönlichen Verständnis der Autorin aufzufassen. Es handelt sich nicht um eine wissenschaftliche Ausarbeitung mit akademischen Anspruch, sondern um eine Zusammenfassung von Geschehnissen und Erzählungen nach individuellem Stil und Empfinden der Autorin. Ausnahmslos jeder Wissenshappen möchte Freude am Wissen schaffen, aber nicht als Fachliteratur verstanden werden. Über Anmerkungen, Ergänzungen, Lob oder Kritik freut sich die Autorin und lädt jeden Leser dazu ein, über die Kommentarfunktion Kontakt aufzunehmen.

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Schlagwörter: , , , Last modified: 12. September 2023