Written by: Naturwissenschaften Psychologie

Was vom Studium übrig blieb: Die wunderbare Welt der (Sozial-) Psychologie Teil III

Reading Time: 7 minutes

Falls ihr mit diesem Artikel in meine Wissenshappen-Serie über die spannendsten Phänomene und Erkenntnisse meines Psychologiestudiums einsteigt, empfehle ich zunächst die Lektüre von Part I und Part II.

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Nachdem wir im letzten Wissenshappen zumindest oberflächlich erörtert haben, wie wir uns selbst in unserem Denken und Handeln an die Mehrheit anpassen und konform handeln, dürfen wir nicht vergessen, dass andere Menschen auch allzu oft eine gewisse Handlung von uns herbeiführen oder gar erzwingen möchten. Im Gegensatz zur Konformität handelt es sich bei diesem Phänomen um die sogenannte Compliance (auf gut Deutsch: Folgsamkeit), bei der wir unser Verhalten aufgrund einer direkten Aufforderung verändern.

Klopapier und die geheime Macht der Knappheit

Was wenig überraschend klingen mag, wird uns oft genug zum Verhängnis, und zwar immer dann, wenn wir dem Sirenengesang der Werbung erliegen – in Form von Supersonderangeboten, Black Fridays oder dem ehrlichen Influencer von Nebenan. Und weil ich es nicht mag, wenn sich Menschen durch die Manipulation anderer bereichern, ist es mir wichtig, die versteckten Manipulationsmethoden zumindest ansatzweise aufzuzeigen, und somit vielleicht den einen oder anderen unnötigen Impulskauf zu verhindern (auch wenn ich selbst nicht immer davor gefeit bin).

Fangen wir mit der meiner Meinung nach einfachsten Methode an, die uns zu einem mehr oder weniger (un)nötigen Kauf bewegt: dem Argument der Knappheit. Ist es nicht schön, etwas zu besitzen, das nicht auch alle anderen schon haben? Bzw. nervt es nicht, wenn wir gerne etwas hätten, das aber nicht mehr verfügbar ist? Ja, so einfach können wir überzeugt werden: wenn uns ein Teleshopping-Kanal die noch verfügbare Menge eines fantastischen Küchenutensils einblendet oder aber ein Reiseportal in roten Zahlen verkündet, dass diese Zimmerkategorie im Traumhotel zum Wunschzeitpunkt nur noch drei Mal verfügbar ist, dann steigt unser Puls und wir handeln schnell, ganz nach dem Motto: „Drei, zwei, eins – meins!“

Doch wenn wir mal ehrlich sind: Wann haben wir es jemals erlebt, dass ein Produkt wirklich nicht mehr verfügbar war? Wer jetzt an Klopapier in Lockdown Zeiten denkt, der sei gefragt: War Klopapier WIRKLICH so knapp vorhanden, oder haben wir nicht erst durch das vermeintliche Gefühl der Knappheit begonnen, dieses Produkt zu hamstern (bevor es uns jemand anders wegschnappt!) und dadurch erst die Knappheit und steigenden Preise dieses Produktes herbeigeführt?

Ansonsten gilt bei fast allem (mit Ausnahme von Halbleitertechnologien und selbstverständlich Gas heutzutage): es gibt immer noch etwas auf Lager, eine alternative Unterkunft oder ein anderes Reisedatum. Aber verdammt, was fühlt es sich doch gut an, wenn wir die letzte Packung Klopapier oder das drittletzte Hotelzimmer ergattert haben!

Vom Geben und Nehmen – die Tücken Verbindlichkeit

Die nächsten Vorgehensweisen zur Erzeugung von Konformität möchte ich gerne aufgrund der Komplexität dialoghaft darstellen.

Ich: Hallo Leser! Danke, dass du hier vorbeischaust. Da ich dir tollen Content biete, würde ich dich bitten, dass du zum Dank Werbung für meinen Blog machst, indem du z.B. auf Facebook oder Instagram über mich postest!
Ihr: Hallo, hmm, ich bin ja gerne hier… Aber um ehrlich zu sein, möchte ich keine öffentliche Werbung für dich machen – das wäre mir etwas zu viel Aufwand und außerdem weiß man ja nie, was andere dazu sagen könnten.
Ich: Schade. Dabei gebe ich mir doch so viel Mühe mit meinem Blog. Aber ich verstehe dich. Wie wäre es denn, wenn du dann zumindest auf Facebook einen kleinen Like für die Wissenshappen hinterlassen würdest?
Ihr: Das ist ein super Vorschlag, denn ich mag deinen Blog und ein Like ist nicht besonders auffällig – das mache ich doch sofort!
Ich: Vielen Dank! Und wenn du schon dabei bist, könntest du mir dann auch auf Instagram noch einen kleinen Kommentar beim letzten Post hinterlassen?

Und schon sind wir mittendrin, in der sogenannten Reziprozitätsnorm und den Fallstricken der Verbindlichkeit: wenn uns jemand einen kleinen Gefallen tut (im o.g. Beispiel: ihr bekommt kostenlos neuen Content geliefert), sehen wir uns unbewusst genötigt, diese Gefälligkeit zurückzugeben. In unserem Dialog habt ihr meine Bitte zunächst aber abgelehnt, weil der Aufwand (aktive Werbung für meinen Blog) zu hoch erschien. Damit bleibt mir aber noch die Möglichkeit, euch eine kleinere Bitte zu stellen (der unauffällige Like auf Facebook), die ihr dankbar befolgen könnt, um nicht gänzlich gegen die Reziprozitätsnorm zu verstoßen.

Und wenn ich dann das Gefühl erhalte, dass ihr nicht völlig abgeneigt seid zu helfen, kann ich euch direkt um einen weiteren, etwas größeren Gefallen bitten: in unserem Beispiel das Hinterlassen eines Instagram-Kommentares. und nach dem „Fuß-in-die-Tür“ Phänomen wäre es gar nicht unwahrscheinlich, dass ihr dieser Bitte tatsächlich nachkommen würdet, einfach weil es inkonsistent wäre, diesen nächsten Schritt nicht auch noch zu gehen. Dieses Gefühlt nennt sich wiederum Verbindlichkeit, die zwar gut gemeint ist, aber leider auch zum Verhängnis werden kann.

Aber hey: ein kleiner Like hat noch niemandem geschadet, oder? (Hier findet ihr die Wissenshappen auf Facebook: https://www.facebook.com/wissenshappen 😉.)

Mit gutem Beispiel voran – Verhaltensänderung durch Modellierung

Zu guter Letzt kann man Menschen auch dazu bewegen, eine bestimmte Handlung auszuführen, in dem man das gewünschte Verhalten vorgibt, z.B. wenn unsere bodenständigen Politiker in Zeiten der Energiekrise darauf hinweisen, wie fleißig sie sich jeden Tag kalt abduschen oder bloß mit einem Waschlappen reinigen, um Warmwasser zu sparen.

In diesem Fall, den man schlicht Modellierung nennt, bedienen wir uns auch des in Part II erwähnten Informationseinflusses, um jemand anderem das gewünschte Verhalten vorzuleben. (Noch einmal kurz zusammengefasst: beim Informationseinfluss entsteht konformes Verhalten dadurch, dass wir uns in einer Situation richtig verhalten möchten. Im Falle der aktuellen Energiekrise trifft das auf alle braven Bürger zu, die den Spargesängen der Politik Folge leisten möchten, um auf jeden Fall die Welt zu retten.)

Sofern kein echtes Verhaltensbeispiel zur Hand ist, können wir aber auch behaupten, dass andere Mitglieder einer Gruppe genau dieses von uns gewünschte Verhalten ausüben würden. Im Falle der Wissenshappen bedeutet das: Nur intelligente Menschen lesen diesen Blog, also wenn ihr selbst intelligent seid, dann solltet ihr ebenfalls diesen Blog lesen (das gilt natürlich auch für eure Freunde und Familie!).

Spontankäufen, Alternativlosigkeit und der Segen der Dissonanzreduktion

Wenn wir uns nun zu einer Handlung haben hinreißen lassen, die wir ursprünglich nicht geplant hatten, aber die uns aufgrund der eben genannten Methoden plötzlich schmackhaft gemacht wurde, kann es passieren, dass wir hinterher in den unangenehmen Zustand der kognitiven Dissonanz gelangen, bei dem unsere Kognitionen (also z.B. Überzeugungen) nicht mit unserer Handlung übereinstimmen.

Wie wir in einem vorherigen Wissenshappen bereits gelernt haben, sind wir Menschen äußerst bestrebt, diesen inneren Spannungszustand aufzulösen, was letztlich dazu führen kann, dass wir unsere Handlung im Nachhinein rationalisieren. Wenn ich z.B. einen Impulskauf getätigt habe, weil mir Knappheit dieses Gutes (Klopapier) vorgegaukelt wurde, kann ich mir sagen, dass meine Handlung absolut korrekt war (gar: alternativlos?), weil andere das genauso tun – sonst wäre das Produkt ja nicht so knapp – und ich doch schließlich dasselbe Anrecht auf Klopapier besitze wie alle anderen.

Compliance, also Folgsamkeit, kann nicht nur meinem Geldbeutel schaden und mich zu unnötigen Einkäufen verleiten, sie kann auch dazu führen, dass ich meine ursprüngliche Einstellung verändere und an das Verhalten anpasse, zu dem ich verleitet wurde. Diesen Effekt sollten wir in einer Gesellschaft, in der Compliance und Konformität zunehmend an Popularität gewinnen, nicht vergessen, wenn wir weiterhin die Freiheit des Geistes schützen möchten.

Nach diesen mahnenden Worten soll nun aber Schluss sein mit diesem Wissenshappen. Jetzt muss ich nämlich schnell noch eine dringende Hotelbuchung abschließen, weil mir gerade angezeigt wird, dass mein Wunschzimmer nur noch zwei Mal verfügbar ist. Außerdem sollte ich mich unbedingt mal wieder mit dem Waschlappen reinigen, damit ich nicht irgendwann so stinke, dass ich doch mal ein Bad nehmen muss (was für eine Energieverschwendung)!

Aber wenn ihr gerade Zeit habt, dann lasst mir doch einen Kommentar da oder wenn euch das zu viel ist, dann reicht auch schon ein Like. Und denkt immer daran: nur intelligente Menschen lesen diesen Blog, und um zu dieser erlesenen Gruppe zu gehören, solltet ihr in zwei Wochen unbedingt wieder hier vorbeischauen!

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Nachschlag?

Zimbardo, P. G. & Gerrig, R. J. (2004). Psychologie* (16. Aufl., S. 779-785). München, Deutschland: Pearson Studium.

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Warum gibt es diesen Wissenshappen?

Wir Menschen sind wahre Meister darin, unser Verhalten und unsere Meinung an jene sozialen Gruppen oder Bezugspersonen anzupassen, die uns besonders wichtig sind, nur um dazuzugehören oder nicht unangenehm aufzufallen. Neben dieser Konformität, der wir uns selbst unbewusst unterwerfen, können wir natürlich auch der Manipulation anderer Menschen erliegen. Diese Folgsamkeit geschieht ebenso unbewusst, nahezu tagtäglich und in den wenigsten Fällen zu unserem eigenen Vorteil. Doch wir können unseren freien Willen (und oft genug unser Bankkonto) schützen, wenn wir zumindest ansatzweise die Manipulationsmethoden findiger Verkäufer oder Meinungsmacher durchschauen.

Was sollte unbedingt verdaut werden?

Oft genug möchten uns andere Menschen zu Handlungen verleiten, die sie sich selbst wünschen, die aber nicht unbedingt unseren eigenen Vorstellungen entsprechen. Unter anderem in der Werbung ist die sogenannte Compliance der entscheidende Hebel, der unser Kaufverhalten steuert. Durch vermeintliche Knappheit von Gütern, dem Prinzip der Gegenseitigkeit und Verbindlichkeit und nicht zuletzt dem Vorgeben oder Vorgaukeln von vorbildlichem Modellverhalten lassen wir uns allzu oft zu (Impuls-)Handlungen verleiten, die wir vielleicht gar nicht gewollt haben und uns teils teuer zu stehen kommen können. Und wenn wir uns deswegen schlecht fühlen sollten, hilft immer noch die gute alte Dissonanzreduktion, durch die wir uns letztlich davon überzeugen können, genau das Richtige getan zu haben.

Disclaimer:
Der obenstehende Text wurde auf Grundlage der gelisteten Quellen erstellt, ist aber explizit unter Berücksichtigung der subjektiven Erkenntnisse, Vorlieben und dem persönlichen Verständnis der Autorin aufzufassen. Es handelt sich nicht um eine wissenschaftliche Ausarbeitung mit akademischen Anspruch, sondern um eine Zusammenfassung von Geschehnissen und Erzählungen nach individuellem Stil und Empfinden der Autorin. Ausnahmslos jeder Wissenshappen möchte Freude am Wissen schaffen, aber nicht als Fachliteratur verstanden werden. Über Anmerkungen, Ergänzungen, Lob oder Kritik freut sich die Autorin und lädt jeden Leser dazu ein, über die Kommentarfunktion Kontakt aufzunehmen.

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Last modified: 12. September 2023