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Intelligente Insekten: Kleine Köpfe, große Leistung

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Wer kennt es nicht: Der Frühling kommt, die Sonne scheint, überall grünt und blüht es. Die Terrassenmöbel stehen wieder an ihrem altbekannten Platz, und mit einem erfrischenden Aperol Spritz genießt man die erste warme Brise. Doch plötzlich summt es unheilvoll am Ohr – und man merkt: Auch die kleinen Plagegeister sind zurück!

Bevor wir jedoch vorschnell zur Fliegenklatsche greifen, sollten wir uns Folgendes bewusst machen: Auch Insekten sind Lebewesen – und mehr als nur lästige Mitbewohner. Bienen, Hummeln und Wespen überraschen die Forschung immer wieder mit Fähigkeiten und Emotionen, die sonst nur „höheren“ Tierarten zugeschrieben werden.

Rechenkünstler mit Mini-Gehirn – die Mathematik der Bienen

Hättet ihr gedacht, dass Bienen rechnen können? Tatsächlich beweisen unsere flauschigen Honiglieferanten in kontrollierten Experimenten, dass sie in der Lage sind, abstrakte Rechenoperationen wie Addition und Subtraktion zu bewältigen – und das mit einem Gehirn, das kleiner ist als ein Stecknadelkopf!

In einem Y-förmigen Labyrinth lernten die Bienen, mithilfe geometrischer Muster und Farbkodierungen ihren Weg zu berechnen: Blau bedeutete +1, Gelb -1. Am Eingang der Irrgartens sahen sie geometrische Formen in einer bestimmten Anzahl. Anschließend mussten sie im Labyrinth jenen Weg wählen, der ebenfalls mit geometrischen Mustern in Gelb oder Blau markiert war, deren Anzahl sich aus der erforderlichen Rechenoperation ergab. Wählten sie korrekt, führte der Weg zum geliebten Zuckerwasser – bei einem Fehler landeten sie in einem Raum mit bitterer Lösung.

Das Überraschende: Nach 100 Trainingsdurchgängen konnten bis zu 80 % der Bienen die Aufgaben selbst ohne eine anfängliche Orientierung lösen – nur mithilfe ihrer abstrakten Rechenfähigkeit. Auch kleine Gehirne können somit komplexe Aufgaben bewältigen… Was man nicht unbedingt von jedem Schüler in Deutschland behaupten kann.

Pessimistische Hummeln – Wenn Trauma die Sicht trübt

Können Insekten pessimistisch sein? Klingt ungewöhnlich – ist aber wissenschaftlich belegt. In Experimenten setzten Forscher Hummeln einem simulierten Trauma aus: Eine künstliche Spinne aus Plastik packte die Hummeln beim Anflug auf eine Blüte kurzzeitig zwischen zwei weichen Schwämmen – ganz ohne Verletzungsgefahr. Doch die Wirkung war verblüffend: Nach dem „Angriff“ wurden die Hummeln deutlich vorsichtiger. Statt direkt auf Blüten zu landen, scannten sie die Umgebung erst minutenlang aus der Luft – manche flohen sogar vor harmlosen Blüten, als würden sie „Gespenster sehen“.

Um zu testen, ob die Hummeln tatsächlich pessimistischer wurden, nutzten die Forscher einen cleveren Farbtest: Die Hummeln lernten, dass blaue Blüten Zucker und grüne Blüten Bitterstoff enthielten. Als die Forscher türkise Blüten anboten – eine Mischung aus beiden Farben –, zeigten die traumatisierten Hummeln deutlich mehr Zurückhaltung als die Vergleichsgruppe: Sie mieden die Blüten häufiger und benötigten viel länger für eine Entscheidung.

Dieses Ergebnis zeigt: Selbst Insekten mit winzigen Gehirnen können komplexe emotionale Reaktionen zeigen – ähnlich wie Säugetiere nach traumatischen Erlebnissen. Vielleicht sollten wir uns daher überlegen, wie behutsam wir mit ihnen umgehen. Schließlich kennen Bienen und Hummeln* weder Psychopharmaka noch Psychotherapie zur Traumabewältigung.

Das Äußere zählt – Gesichtserkennung bei Wespen

Habt ihr euch schon mal gefragt, ob Wespen Gesichter erkennen können (insbesondere, wenn sie euch minutenlang vor Mund und Nase herumschwirren)? Tatsächlich nutzen Feldwespen der Art Polistes fuscatus eine Gesichtserkennungsmethode, die der menschlichen ähnelt: Sogenanntes holistic processing. In Experimenten zeigten die Wespen eine erstaunliche Trefferquote von 69%, wenn sie unter den angebotenen Bildern das vollständige Gesichter ihrer Artgenossen identifizieren mussten. Wurden jedoch einzelne Gesichtsteile isoliert gezeigt (etwa nur die Augen oder Fühler), sank die Trefferquote auf 46%, was dem Zufallsniveau entspricht.

Doch was macht diese Fähigkeit so besonders? Statt einzelne Merkmale zu erkennen, nehmen die Wespen die räumliche Anordnung der Gesichtszüge als Ganzes wahr. Selbst bei computergenerierten Linienporträts identifizierten sie Artgenossen – solange die Gesichtskonfiguration stimmte. Vertauschte Augenpositionen oder fehlende Antennen machten die Gesichter jedoch unkenntlich.

Der Grund für die Entwicklung dieser besonderen Fähigkeit liegt in der Lebensweise der Wespenart: Polistes fuscatus lebt in komplexen Kolonien mit mehreren Königinnen und strengen Rangordnungen. Individuelle Erkennung ist dabei entscheidend, um Allianzen zu bilden und Kämpfe zu vermeiden. Bei verwandten Arten mit nur einer Königin, wie z.B. Polistes dominula, fehlt diese Fähigkeit völlig.

Summ, summ, summ – das Bienchen ist nicht dumm

Diese drei erstaunlichen Beispiele zeigen: Intelligenz und emotionale Fähigkeiten sind nicht zwangsläufig an die Gehirngröße gebunden. Insekten überraschen uns immer wieder – vielleicht lohnt es sich daher, beim nächsten Summen etwas genauer hinzuschauen. Und ein Tröpfchen unseres Aperol Spritz zu teilen (denn auch Bienen können betrunken sein).

*Hummeln sind übrigens eine Unterart der Familie der Bienen (Apidae) und bilden in dieser die Gattung Bombus mit weltweit ca. 400 bis 500 Arten.

Nachschlag?

Howard, S., Dyer, A. & Garcia, J. (2019, 06. Februar). Can bees do math? Yes – new research shows they can add and subtract. Abgerufen 17. Mai 2025 von https://theconversation.com/can-bees-do-maths-yes-new-research-shows-they-can-add-and-subtract-108074

Chittka, L. (2024, 09. Dezember). Wie intelligent sind Bienen? Abgerufen 17. Mai 2025 von https://www.stadtbienen.org/wie-intelligent-sind-bienen/

Tibbetts, E. & Dyer, A. (2014, 19. September). Gesichtskontrolle im Wespennest. Abgerufen 17. Mai 2025 von https://www.spektrum.de/magazin/insekten-erkennen-gesichter/1304059

Disclaimer:
Der obenstehende Text wurde auf Grundlage der gelisteten Quellen erstellt, ist aber explizit unter Berücksichtigung der subjektiven Erkenntnisse, Vorlieben und dem persönlichen Verständnis der Autorin aufzufassen. Es handelt sich nicht um eine wissenschaftliche Ausarbeitung mit akademischen Anspruch, sondern um eine Zusammenfassung von Geschehnissen und Erzählungen nach individuellem Stil und Empfinden der Autorin. Ausnahmslos jeder Wissenshappen möchte Freude am Wissen schaffen, aber nicht als Fachliteratur verstanden werden. Über Anmerkungen, Ergänzungen, Lob oder Kritik freut sich die Autorin und lädt jeden Leser dazu ein, per E-Mail Kontakt aufzunehmen.

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Schlagwörter: , , Last modified: 18. Mai 2025